Editorial

Der Odilienberg, Brexit und «Skull&Bones»

Kirchenpolitik als Weltpolitik

Am 19. Juni befand sich eine kleine Menschengruppe auf dem Odilienberg. Gedenkend der großen Individualitäten von Helmuth und Eliza von Moltke, welche im 8. Jahrhundert an diesem Ort verkörpert waren, Eliza von Moltke als Odilie, Helmuth von Moltke als deren Bruder Hugo. Der Vater Eticho ist später als Wilhelm II. erschienen; ihm wurde unweit des Odilienberges von der Stadt Sélestat eine Burg geschenkt, wie zur Erinnerung an seine Eticho-Verkörperung. Im 9. Jahrhundert wurden dann von Papst Nikolaus I. und seinem Ratgeber, als welche sich Odilies Bruder und sie selbst bald nach der Odilienzeit in Rom verkörperten, die weltgeschichtlichen Entschlüsse gefasst, die den Westen vom Osten trennen sollten.*

Am 19. Juni – dem Tag unseres Besuches – 1911 stattete Helmuth von Moltke dem Odilienberg einen Besuch ab. Er wird den Sarkophag Odilias und Etichos besichtigt haben, auch wohl die Tränenkapelle mit dem Bildnis von Papst Leo IX., der aus dem Odiliengeschlecht stammte und der die Konsequenz aus der Kirchenpolitik von Papst Nikolaus I. zog: die endgültige Trennung der Ost- von der Westkirche, das Schisma von 1054.

Am gleichen 19. Juni – in der griechisch orthodoxen Kirche der Pfingsttag – fand auf Kreta das erste orthodoxe Konzil seit über tausend Jahren statt.**

Papst Franziskus rief in Rom den Schutz des Heiligen Geistes für das Konzil an. Stehen wir am Beginn der versuchten Auflösung des Schismas durch die katholische Kirche? Deren Geist ist wachsam und pflegt weltweit die äthergeographisch bedeutenden Orte: in der Odilienkapelle befindet sich seit ein paar Jahren eine Blutsreliquie von Papst Johannes Paul II. – Reliquien gehören aber in die Seelenverfassung des Mittelalters. Die spirituelle West-Ost-Vereinigung darf nicht in den Händen der Kirche bleiben. Sie kann nur von Menschen verwirklicht werden, die den Geist des neuen Zeitalters pflegen wollen.

Der britische Brexit

Wenige Tage darauf fand ein weiteres Ereignis von zumindest europa-politischer Tragweite statt: die Abstimmung der Briten für den Brexit. Es ist ein positives Zeichen, dass die Mehrheit der britischen Bevölkerung einer Institution den Rücken kehrt, die geradezu zum Inbegriff einer volks-fernen kafkaesken Regierungsform der Eliten geworden ist. Die Hohlheit der EU ist eindrücklich dokumentiert auf einem Video, welches im Vorfeld der Abstimmung in England die Runde machte und weit höhere Einschaltquoten erreichte als die Propagandareden Camerons: «Brexit – the Movie» (https://www.brexitthemovie.com).

Doch auch hier: der britische Abschied von der EU löst nicht deren und auch nicht die eigenen Probleme. Er schafft höchstens einen Freiraum für eine neue, wirklich weltumspannende Wirtschafts- und Sozialpolitik, die nicht in den geschlossenen Hinterzimmern von «Bilderbergern» und ähnlich anti-demokratischen Gremien beschlossen wird. Wo sind die Träger solcher Bestrebungen?

Deutsche Klarsicht

In Deutschland gibt es erfreulich kritische Stimmen zum Kriegstreiben der NATO an der Westgrenze von Russland. Will die NATO, nicht wie Hitler in Polen, sondern in Russland einfallen, mit Vorwänden, an deren Konstruktion sie stetig arbeitet? Die Folgen wären absehbar katastrophal. Zu den in dieser Beziehung klar Sehenden gehören der deutsche Außenminister Steinmeier, der Schriftsteller Rolf Hochhuth, der ehemalige Minister Andreas von Bülow oder Willi Wimmer, alle auch in Internet-Auftritten zu finden. Im Oktober  bringt Der Europäer ein Interview mit dem NATO-Kenner Daniele Ganser.

Hillary Clinton und Skull & Bones

Ein besonders symptomatisches Stück gegenwärtigen Polit-Spektakels wurde kürzlich in den USA geboten. Hillary Clinton, durch deren Auftritte viel Geld und Aufmerksamkeh-clintonit verschwendet wird, wurde während einer Zeremonie der Elite-Universität von Yale zum Ehrenmitglied von Skull & Bones ernannt. Wir haben die dubiosen Machenschaften dieses seit dem Tod Goethes existierenden Eliteordens oft beschrieben. Seine Hauptlinie besteht darin, ganz widersprüchliche politische Richtungen zu beherrschen, indem sowohl Links- wie Rechtsregimes unterstützt werden. Wer die Gegensätze aufbaut, kann Herr der Resultante werden! Für Skull & Bones sind links und rechts nur zwei «Flügel» einer großen Partei, wie sich Gore Vidal einmal ausdrückte. Frau Clinton spielt also auf der Marionetten-Bühne des Parteien-Spektakels ihre theatralische Rolle und pflegt zugleich innige Beziehungen zu den eigentlichen Drahtziehern hinter den Kulissen.***

Thomas Meyer

 *  Siehe Helmuth von Moltke, hg. von A. Bracher und T. Meyer, Basel, 1993.

**  allerdings ohne Teilnahme von Russland und Bulgarien.

*** http://worldnewsdailyreport.com/connecticut-hillary-clinton-made-honorary-skull-and-bones-member-during-yale-ceremony/.