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Bacons Idolwissenschaft und die wahre Geisteswissenschaft

Mitten im Ersten Weltkrieg sprach Rudolf Steiner in Dornach über Francis Bacon (1561–1626), den Vater der modernen materialistischen Naturwissenschaft.1 Insbesondere charakterisierte er dessen Idollehre, enthalten in seinem Werk Novum Organum.
Unter Idol verstand Bacon ein Begriffsgebilde, das auf Reales zu verweisen vermeint, aber in Wirklichkeit nichts als Wort ist. Er unterschied vier Typen von Idolen: 1. Idola tribus, Idole des Stammes. 2. Idola specus (der Höhle); in sie projiziert der Mensch vermeintlich Geistiges. 3. Idola fori, des Zusammenlebens. 4. Idole, die «entstehen durch die Wissenschaft, welche bloße Namen sucht» (Steiner). «Das sind natürlich fürchterlich viele Idole. Denn nehmen Sie alle unsere Zyklen mit dem, was sie bezeichnen von Spirituellem, und legen Sie sie Bacon vor, so sind alle Worte für die spirituellen Dinge solche Idole. Diese Idole, das sind eigentlich die gefährlichsten, meint Bacon, weil man darinnen besonderen Schutz zu haben meint, nämlich ein wirkliches Wissen: das sind die Idola theatri. Das ist das innere Theater, das sich der Mensch aufbaut, eine Art Spektakel von Begriffen, ebenso unwirklich wie die Figuren auf dem Theater.»
Heil vor diesen Idolen sieht Bacon einzig in der Zuwendung zur Sinneswirklichkeit und in der experimentellen Wissenschaft. Diese materialistische Anschauung nahm nach Bacons Tod den Charakter ahrimanischer «Dämonen-Idole» (Steiner) an, flutete in die Sphäre der Michael-Geistigkeit hinein und verursachte den größten Teil des Materialismus des 19. Jahrhunderts.2

Bacons materialistisch-nominalistische Idol-Lehre wurzelt im vierten atlantischen Zeitraum, der Epoche der Urturanier, welche die Keime zum Untergang der Atlantis herauszubilden hatte. Daher ihre ungeheure Durchschlagskraft. Hier bildete ein menschlicher Kopf erstmals die Idee des Materialismus aus. Derselbe Mensch gestaltete zu Beginn der Neuzeit die praktischen Ideale dieses Materialismus – Flugschiff, Unterseeboot, künstliches Wetter; sie werden in der Schrift Bacons Nova Atlantis beschrieben, die u.a. von US-Politiker Brzeziński zitiert wurde. Man denke an die Errungenschaften von Haarp.
«Solche Persönlichkeiten», sagt Steiner abschließend, «die gewissermaßen tonangebend sind, wie Baco von Verulam, bei denen ist viel weniger wichtig die Biographie, als dasjenige, was uns enthüllt, wie sie drinnenstehen im Gesamtentwicklungsprozess der Menschheit.»
Bacon ist der Anti-Aristoteles der Moderne. Das zeigt schon sein Werktitel Novum Organon, das dem klassischen Organum, einer Sammlung der Schriften des Aristoteles, gegenübergesetzt wurde.
Bacons Wissenschaft feierte Triumph über Triumph. Es sind aber die Triumphe des toten Denkens, des puren Intellektualismus, der alles Spirituelle ertötet und in den Untergang führen will.
Die Menschheit steht gegenwärtig am Grab aller Zivilisation. Wahre Geisteswissenschaft allein kann zur Auferstehung der Idolwissenschaft in eine wahre Wissenschaft führen. Das ist ihr österlicher Charakter.

  T.H. Meyer

 

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1 GA170, Vortrag vom 3. September 1916.

2 Siehe Rudolf Steiner, Der Meditationsweg der Michaelschule, Nachwort S. 433 ff.