Editorial, News

Furor gegen den Geist und ein Zentralstück Weltgeschichte

In den letzten Wochen erschienen diverse lärmende Artikel gegen die Geisteswissenschaft Rudolf Steiners, in der NZZ, aber auch im Magazin Spiegel Geschichte (3/2021).
Dieses titelte: «Ein Fehler der Weltgeschichte» und belehrte: «Rudolf Steiner erfand im frühen 20. Jahrhundert die Anthroposophie und begründete die Waldorfpädagogik. Wie antisemitisch seine Ansichten waren, wird heute gern übersehen.» Darunter drei Große Porträts Steiners aus dem Jahre 1918.
Der ganze Artikel basiert auf einem böswilligen Mißverständis der Titelformulierung. Sie findet sich in einem Aufsatz, den Steiner 1888 zu Verteidigung des Dichters Robert Hamerling gegen den Vorwurf des Antisemitismus verfasst hatte. «Ein Fehler der Weltgeschichte» ist eine aus dem Kontext gerissene Formulierung, die seit Jahrzehnten als Schlagwort-Keule gegen Steiner benutzt wird. Wir haben sie schon vor 21 Jahren (!) genauestens analysiert und kommentiert und mussten dabei auch auf die vollkommen verfehlten «anthroposophischen» Untersuchungen zu dem Streit um Worte aufmerksam machen, der zu einem Scheinproblem aufgebauscht wurde. Wir drucken den damals erschienenen Aufsatz in diesem Heft daher erneut ab (Seite 41ff.).
Weshalb gerade jetzt diese ins Leere hauenden Paukenschläge? Immer mehr Menschen außerhalb der anthroposophischen Institutionen nahmen in den letzten Monaten klar und positiv Bezug auf Steiners Äußerungen zur «Impfung gegen den Geist», insbesondere aus dem Jahre 1917. Das lässt die Drahtzieher der Mainstream-Presse offenbar einmal mehr wutentbrannt zu Schlagwortkeulen greifen, obwohl sie ins Leere pfeifen – und höchstens die Schläger selber treffen.

Der neue von Papst Franziskus inthronisierte Bischof von Chur meinte in einem nach-pfingstlichen Interview: «Mit dem ewigen Leben ist nicht bloß die Auferstehung des Geistes gemeint, sondern auch die Auferstehung des Fleisches
Ein Hypermaterialismus, wie er zum Transhumanismus und seinen Aposteln nicht besser passen könnte.

Doch unweit desselben Chur liegt bei Rhäzüns einsam und abgeschieden auf einer bewaldeten Anhöhe ein kleines Kirchlein, mit Fresken, die ein ganz anderes Weltbild verbreiten. Es werden Szenen aus dem Alten und Neuen Testament gezeigt, zumeist aus dem 14. Jahrhundert. Aus dem Lukas-Evangelium die Darbringung im Tempel, der zwölfjährige Jesus im Tempel und dann die Taufe im Jordan. Einmalig an der zweiten Darstellung ist, dass sie zwei Jesusknaben zeigt.
Einen, der zum Erstaunen Aller die Schriftgelehrten belehrt, und einen, der gleichzeitig beiseite tritt und von seinen Eltern in Empfang genommen wird. Wer sich diesem bereits im Mittelalter offenbaren Geheimnis annähern möchte, vertiefe sich in die geisteswissenschaftliche Kunde der zwei Jesusknaben1. Sie ist ein Schlüssel zum tieferen Verständnis der Weltgeschichte und ihren polaren Entwicklungsströmungen.

Thomas Meyer

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1  Siehe R. Steiner, Das Lukasevangelium (GA 114) oder Aus der Akasha-Forschung. Das fünfte Evangelium (GA 148).