In den letzten Jahren hat sich in der menschlichen Zivilisation ein gewisser Vitamin D-Rausch ausgebreitet. Alle Bereiche der Medizin sind davon betroffen, ob die Innere Medizin oder die Onkologie, die Naturheilkunde oder die Anthroposophische Medizin. Auch die Medien, vor allem die Zeitschriften der Regenbogenpresse, gesellen sich diesem Reigen hinzu. Gegen Müdigkeit und chronische Infekte, gegen Krebs und Leistungsabfall: Vitamin D scheint ein Allheilmittel geworden zu sein.
Vitamin D ist jedoch kein Vitamin
Zunächst muss man wissen, dass das sogenannte „Vitamin D“ in Wirklichkeit kein Vitamin ist. Definitionsgemäß ist ein Vitamin eine Substanz, die der Mensch nicht selbst produzieren kann, deshalb muss er sie mit seiner Nahrung von außen aufnehmen. Andernfalls entsteht ein Mangel – und aus diesem Mangel eine Erkrankung.
Als Beispiel sei das Vitamin C genannt, das sich in allem frischen Gemüse und im Obst befindet. Als früher die Matrosen monatelang auf hoher See waren und kein frisches Gemüse oder Obst zu sich nehmen konnten, bekamen sie Skorbut. Skorbut ist ein akuter Vitamin-C-Mangel mit gehäuften Zahnfleischblutungen und Ausfallen der Zähne. Das Essen von Frischem heilte dann diese Erkrankung vollständig aus.
Anfangs dachte man, Vitamin D sei ein Vitamin. Später fand die Medizin heraus, dass das Vitamin D vom Organismus selbst produziert wird. Eine vom Organismus selbst produzierte Substanz mit Wirkung auf den Stoffwechsel ist aber definitionsgemäß ein Hormon und kein Vitamin. Vitamin D ist also ein Hormon, wie Kortison und Östrogen. Deshalb wurde das Vitamin D umbenannt in „D-Hormon“. Dieser neue Name blieb aber sogar den meisten Ärzten unbekannt. Der neue abstraktere chemische Name für Vitamin D, „Cholecalciferol“, verdeckt vollständig das Wesentliche: Dass wir es hier mit einer Substanz zu tun haben, die der Organismus selber produziert. Dabei hat diese Tatsache weitreichende Konsequenzen: Wenn man eine normale Menge eines Hormons produziert, dann ist jede zusätzliche „prophylaktische“ Einnahme eigentlich eine Überdosierung. Und jede Überdosierung bringt so manche kleinere oder größere – oft irreversible – Schädigung mit sich. Ein warnendes Beispiel hierfür ist die prophylaktische Verabreichung von Östrogen nach den Wechseljahren, die, wie später erkannt wurde, Brustkrebs fördert.
Wo im Körper wird das Vitamin D produziert?
Unser Organismus produziert nicht das Vitamin D selbst, sondern Provitamin D. Dies geschieht in der Niere. Das Provitamin D gelangt dann in die Haut, wird dort vom Licht beschienen und in das aktive Vitamin D umgewandelt. Man müsste sagen, das wirkliche Vitamin, das von außen kommt und das wir nicht selber produzieren können, ist das Licht.
Was bewirkt nun dieses durch Licht aktivierte Vitamin D?
Die Funktion des Vitamin D
Wir nehmen Calcium durch Milch und Milchprodukte in uns auf. Das aktivierte Vitamin D bewirkt, dass dieses Calcium dann im Darm aufgenommen wird und in die Blutbahn gelangt. Von dort aus geht ein Teil des Calciums in die Knochen und macht sie hart. So können die Knochen das Gewicht des Körpers tragen, ohne sich zu biegen.
Zugleich schützt sich jedoch der Körper vor einer übermäßigen Aufnahme von Kalk: Nur ca. 30% von dem gesamten mit der Nahrung aufgenommenen Kalk wird im Darm tatsächlich aufgenommen. Das ist der gesunde Zustand bei einer normalen Produktion von Vitamin D. Was aber ist eine normale Produktion?
Der sogenannte „normale“ Wert von Vitamin D im Blut
In den Büchern steht, dass der normale Wert von Vitamin D im Blut über 30 pg/ml beträgt. Wenn man aber die Werte von vielen Menschen vergleicht, wird deutlich, dass in Wirklichkeit kaum jemand diesen sogenannten „normalen“ Wert erreicht, sondern dass dieser Wert eher um 5-10 pg/ml liegt. Ein höherer Wert ist vor allem während der Wintermonate nicht zu erreichen, wo aufgrund des geringeren Sonnenlichtes dieser Wert grundsätzlich niedriger ist. Wenn aber der angeblich normale Wert von über 30 pg/ml von kaum jemandem erreicht wird, dann kann es kein „normaler“ Wert sein.
Es ist dringend notwendig, die statistische Bestimmung des normalen Wertes von Vitamin D im Blut während der Wintermonate nachzuholen. Man kann ihn ebenso wenig mit den Blutwerten im Sommer vergleichen, wie man den normalen Wert von Östrogen bei Frauen vor den Wechseljahren mit dem Östrogenwert von Frauen nach den Wechseljahren vergleichen kann. Selbstverständlich haben Frauen nach den Wechseljahren normalerweise einen niedrigeren Östrogenwert.
Offenbar handelt es sich hier um eine ähnliche Situation wie bei dem angeblich „normalen“ Wert von Cholesterin. Offiziell liegt seit den 1980er Jahren der Normalwert von Cholesterin unter 200 mg/dl (5,2 mmol). Die meisten gesunden Menschen haben aber einen Cholesterin-Wert von 250 bis 280 mg/dl (6,5-7,3 mmol), der also deutlich höher liegt als dieser offizielle Normalwert – und der deshalb „pathologisch“ ist. Der frühere Normalwert von unter 300 mg/dl (7,8 mmol), den die Ärzte vor 1980 benutzten, hat wirklich zur Realität gepasst. Inzwischen sind viele Publikationen erschienen, die auf diese Tatsache aufmerksam machen, z.B. Die Cholesterin-Lüge von Hartenbach[i] oder Fette Irrtümer von Colombani[ii].
Schädigung durch Vitamin D
Am deutlichsten ist die Schädigung durch Vitamin D an den extremen Fällen zu sehen – an den Fällen der Vergiftung. Diese Tatsache ist spätestens seit den 1960er Jahren bekannt. Damals wurden die Neugeborenen bis zum zweiten Lebensjahr mit Vitamin D als Rachitis-Prophylaxe „gestoßen“. Ein Vitamin-D-Stoß betrug eine einmalige Verabreichung des 400Fachen von der heute üblicherweise empfohlenen täglichen Dosierung von Vitamin D (500 I.E. pro Tag). Der Vitamin-D-Stoß betrug also 200 000 I.E. auf einmal. Dieser wurde dann im Abstand von sechs Monaten wiederholt, und zwar bis zu sechsmal(!) insgesamt in den ersten beiden Lebensjahren.
Es gab bei dieser Behandlung mehrere Todesfälle von kleinen Kindern. Die Kinderleichen wurden untersucht, und es fand sich eine ausgeprägte Verkalkung der Gefäße.[iii] Das ist nicht erstaunlich, denn das Vitamin D fördert die Aufnahme von Calcium aus dem Darm ins Blut. Besonders die Gefäße von Herz und Lunge waren betroffen. Der Austausch der Gase war allmählich nicht mehr möglich, und das Kind erstickte langsam. Leider wurde dieses erschütternde Ergebnis nur zögerlich zur Kenntnis genommen. Die Vitamin-D-Stöße wurden dann letztlich doch aufgegeben – aber lediglich die Stöße.
Verursachen auch kleine Dosierungen von Vitamin D Schädigungen?
Es ist wie gesagt naheliegend, dass Vitamin D eine Verkalkung der Gefäße fördert, denn es fördert die Aufnahme von Calcium über den Darm in unser Blut. Calcium als Substanz hat die Eigenschaft, sich abzulagern, was man an der Bildung von Tropfsteinen in Höhlen sehen kann. Im Körper lagert sich das Calcium an den Gefäßwänden ab, vor allem da, wo bereits eine Unebenheit, eine Plaque, vorhanden ist. Sind schon Kinder, die keine Plaque haben, durch Überdosierung von Vitamin D an schwerer Verkalkung der Gefäße gestorben, dann können wir annehmen, dass auch kleine, aber häufig eingenommene Dosierungen bei jedem Menschen, wenn sie auch nicht den Tod herbeiführen, so doch langsam, aber stetig Schädigungen durch Verkalkung der Gefäße verursachen. Gerade bei älteren Menschen, aber eigentlich in jedem Alter, wird damit eine allgemeine Verkalkung gefördert. Diese Verkalkung ist gerade bei den filigranen Gehirngefäßen verheerend – und fördert nicht zuletzt die steigende Tendenz zur Demenz.
Zugleich liegt nahe, dass auch schon bei einer geringfügigen Gefäßverkalkung des Gehirns andere Schädigungen auftreten, die nicht in einer sichtbaren physischen Erkrankung erscheinen, sondern „nur“ als eine seelische Tendenz, die in Richtung einer allgemeinen Erstarrung geht. Davon sind letztlich alle betroffen, die regelmäßig Vitamin D in einer kleinen Dosierung nehmen – nicht nur Kinder.
Wie sehen die „kleinen“ Schädigungen genau aus?
Die „kleinen“ Schädigungen von Vitamin D sind wieder bei den Kindern, die mit hohen Dosierungen behandelt worden sind, am einfachsten zu sehen. Wilhelm zur Linden, der viele solcher Kinder beobachtet hat, beschreibt, was auch andere (Cook, Beuren, Taussig) bei den mit Vitamin-D-Stößen behandelten Kindern „geistige Schädigungen“ oder „Hemmungen der geistigen Entwicklung“ nennen. Zur Linden selbst charakterisiert diese geistigen Schädigungen als eine nachlassende schulische Leistung, Interesselosigkeit, Einengung des geistigen Horizontes auf rein technische Interessen und eine „Vergröberung des Skelettes bei gleichzeitiger Schrumpfung der Bewusstseins-Weite und Hemmung der geistigen Beweglichkeit“.[iv] Das bedeutet also eine allgemeine seelische Verhärtung. Er stellt die Frage in den Raum, ob Vitamin D eine Verminderung sogar der Bildungsfähigkeit überhaupt verursachen könnte. Diese Schädigungen sind weit bedenklicher als alle Beschwerden, bei denen das Vitamin D Hilfe bringen könnte, denn sie verändern die gesamte Persönlichkeit in Richtung Erstarrung und Mangel an Beweglichkeit des Denkens, kurz: Sklerotisierung. Zur Linden beendet seinen Artikel mit der berechtigten Frage, ob diese mit Vitamin-D- Prophylaxe behandelten Säuglinge, die auf den Weg der Verkalkung gebracht wurden, nicht die Scharen der an Demenz erkrankten alten Menschen in Zukunft deutlich vergrößern werden.
Ebenfalls entscheidend ist hier, dass zur Linden diese subtilen Veränderungen der psychischen Eigenschaften nicht nur bei Kindern festgestellt hat, die mit hohen Dosierungen von Vitamin D in größeren Abständen behandelt worden sind, sondern auch bei denen, die über viele Monate eine ausgedehnte Vitamin-D-Behandlung in täglichen kleinen Dosierungen von 500 bis 1000 I.E. bekommen haben.[v]
Wie sieht ein wirklicher Mangel an Vitamin D aus?
Da Vitamin D die Aufnahme von Calcium im Darm bewirkt, wird bei einem Vitamin-D-Mangel zu wenig Calcium aufgenommen.
Das ist ein Problem nicht bei Erwachsenen, sondern bei Kindern, besonders bei Neugeborenen und Säuglingen, weil ihre Knochen noch aus Knorpel bestehen und deshalb weich sind. Bei zu weichen Knochen kann sich der Hinterkopf verflachen durch das Liegen, und die Beine können krumm werden durch den Versuch zu stehen und zu gehen. Ein Mangel an Vitamin D zeigt sich also an der Verformung der Knochen, da diese weich bleiben: Es ist die Rachitis.
Rachitis ist eine Erkrankung, die bei Erwachsenen äußerst selten vorkommt. Sie heißt dann Osteomalazie oder Rachitis des Erwachsenen. Normalerweise haben Erwachsene Knochen, die schon sehr stark mit Kalk durchsetzt sind. Diese relativ hohe Menge an Calcium müsste sich zuerst einmal gänzlich auflösen, um eine Erweichung der Knochen zu bewirken. Dies geschieht bei Erwachsenen extrem selten, und wenn, dann eher durch eine Störung der Nebenschilddrüse als durch einen Mangel an Vitamin D und eine dadurch bedingte mangelhafte Aufnahme von Calcium. Ganz im Gegenteil: Früher wusste man, dass gerade der alte Mensch sich etwas hüten muss vor Calcium, weil er schon von sich aus eine Tendenz zur „Verkalkung“ hat. Das bedeutet nicht, dass der alte Mensch keine Milch oder keine Milchprodukte zu sich nehmen sollte, denn übermäßiges Calcium wird, wie weiter oben erläutert, durch den Stuhl wieder ausgeschieden. Es bedeutet aber, dass der alte Mensch zu dem im eigenen Körper produzierten kein zusätzliches Vitamin D einnehmen soll, das den Körper zwingt, mehr Calcium aufzunehmen, als er braucht.
Wer nimmt heute Vitamin D ein?
Vitamin D ist bis heute das Mittel der Wahl zur Rachitis-Prophylaxe in einer empfohlenen „kleinen“ Dosierung: täglich 500 I.E. für Neugeborene ab der zweiten Lebenswoche bis zum zweiten Lebensjahr. Diese Empfehlung wird heute bei fast allen Säuglingen durchgeführt. Ab dem zweiten Lebensjahr wird die eigene Produktion als ausreichend für das ganze Jahr beurteilt, wenn Hände und Gesicht von Kindern im Frühjahr und im Sommer zwei Stunden pro Woche der Sonne ausgesetzt werden (Praxisleitfaden für Allgemeinmedizin, Urban & Fischer, München 2014, S. 867). Außerdem wird das Vitamin D heute alten Menschen gegeben, meistens Frauen, als Prophylaxe und Therapie der Osteoporose (500 bzw. 1000 I.E. pro Tag).
Zusätzlich bekommen heute all die vielen Menschen Vitamin D, die glauben, von diesem profitieren zu können. Wie oben gesagt: Viele Menschen nehmen von sich aus oder auf Verordnung des Arztes Vitamin D wegen aller möglichen Beschwerden (Müdigkeit, chronische Infekte, Krebs, Leistungsabfall usw.). Es wird aber auch ohne jegliche Beschwerden eingenommen, nur weil der Blutwert „zu niedrig“ ist.
Vitamin D bei der Rachitis-Prophylaxe und -Therapie
Aus allem hier Beschriebenen sollte ersichtlich sein, dass Vitamin D als Prophylaxe zu einer nicht erwünschten Verhärtung des ganzen Kindes führt. Das Vitamin D zwingt den Organismus, mehr Calcium aufzunehmen als nötig. Ein potenziertes Heilmittel aus der anthroposophischen Medizin hingegen stimuliert die Eigenproduktion von Provitamin D, ohne dass diese Produktion die gesunde Menge überschreitet.
Diese prophylaktische Behandlung besteht in der Verabreichung von Apatit/Phosphorus comp. K (Weleda): morgens nüchtern drei Tropfen in etwas Tee bei Säuglingen unter acht Monaten, bzw. fünf Tropfen bei Säuglingen über acht Monaten. Abends gibt man dann den Säuglingen vor dem Essen eine Messerspitze Conchae/Quercus comp. K (Weleda). Die Prophylaxe fängt einen Monat nach der Geburt an und wird bis zum zweiten Lebensjahr durchgeführt. Sie ist besonders in lichtarmen Ländern während der Wintermonate zu empfehlen. Ein halbstündiger Spaziergang im Kinderwagen mit indirekter Lichteinstrahlung drei- bis viermal in der Woche ergänzt die Prophylaxe.
Auch bei der Therapie der Rachitis ist Vitamin D wegen seiner allgemein verhärtenden Wirkung nicht förderlich. Die Therapie ist nur nötig, wenn eine wirkliche Krankheit besteht, d.h. wenn Zeichen von weichen Knochen, meistens zuerst am Hinterkopf, bemerkbar sind. Sie besteht in einer Verstärkung der prophylaktischen Behandlung: man nimmt eine zweite Dosis von Apatit/Phoshorus, und zwar vor dem Mittagessen, und eine zweite Dosis von Conchae/Quercus vor dem Zubettgehen. Diese Behandlung wird sechs Monate durchgeführt.
Wenn das nicht ausreichend ist und die Knochen immer noch verformbar sind, kann zusätzlich einmal täglich Lebertran gegeben werden. Ist der Lebertran naturbelassen, was sehr wichtig ist, dann ist darin das Vitamin D harmonisch mit Vitamin A verbunden. Vitamin A ist ein Gegenspieler des Vitamin D und hebt dessen Nebenwirkungen im Großen und Ganzen auf. Diese Gabe von Lebertran wird ungefähr vier Wochen durchgeführt.
Wie verhält es sich mit Vitamin D bei Osteoporose?
Trotz aller gegenteiligen Meinungen beruht die Osteoporose nicht auf einem Mangel an Vitamin D oder Calcium![vi]
Wenn man das Phänomen der Osteoporose beobachtet: Was ist überhaupt das Problem bei der Osteoporose? Die Brüchigkeit der Knochen.
Wir haben gesehen, dass Kalk hart macht, also auch die Knochen verhärtet. Dadurch werden sie fest und können das Gewicht des Körpers tragen, ohne sich zu biegen. Aber: Harte Substanzen sind starr und dadurch auch brüchig. Fällt eine harte Substanz wie Glas auf einen Steinboden, zerbricht sie. Das geschieht bei einem Klumpen feuchten Lehms nicht. Hartes ist also fest und zugleich auch brüchig. Mit Calcium machen wir die Knochen härter, aber gerade dadurch – brüchiger! Durch den Kalk werden die Knochen der Osteoporose-Kranken eigentlich noch brüchiger als sie schon sind.
Was fehlt dann den Osteoporose-Kranken? Nicht Kalk, sondern Knorpel. Es fehlt die elastische Knorpelmatrix, die den Knochen durchzieht. Dieser Knorpel ist überhaupt die Basis, an der dann der Kalk sich ablagern kann. Diese Knorpel-Basis in den Knochen fehlt den Osteoporose-Kranken. Bei alten Menschen überhaupt fehlt der Knorpel in den Knochen, auch an den Knochenenden, in den Gelenken. Das nennt man eine allgemeine Arthrose.
Was ist dann die Therapie? Nicht Kalk, sondern Knorpel. Bei Röntgenaufnehmen aber sieht es aus, als ob Kalk fehlen würde, deshalb der Name „Osteoporose“. Der Knochen ist porös, durchsetzt mit Löchern. Das ist aber nur deshalb so, weil der Knorpel fehlt und der Kalk keine Grundlage hat, an der er Halt finden und von wo aus er den Knochen wieder festigen könnte. Das Problem liegt darin, dass der Knorpel selber im Röntgenbild nicht zu sehen ist. Knorpel ist für die Röntgenstrahlen unsichtbar. Wäre der Knorpel ebenfalls auf dem Röntgenbild sichtbar, würde man bemerken, dass der Knochen noch deutlich weniger Knorpel hat als Kalk. Das Calcium fehlt nur sekundär, weil es nicht genug Knorpelfläche als Grundlage hat. Da man jedoch zu wenig Kalk sieht und nicht an den (unsichtbaren) Knorpel denkt, kommt es zum Fehlurteil: Es fehlt Kalk, diesen muss man ersetzen…
Bei Osteoporose fehlt also Knorpel. Der wichtigste Bestandteil von Knorpel ist organisches Silicium. Das organische Silicium, nicht das anorganische, hat die Eigenschaft, das 330Fache seines eigenen Gewichts an Wasser an sich zu binden. Damit bildet dieses organische Silicium eine Substanz, die nicht flüssig und nicht fest ist, sondern etwas dazwischen: eben gelatinös/elastisch. Deshalb sollte man prophylaktisch auf eine kieselsäurereiche Ernährung achten. Diese Eigenschaft besitzen Hirse, Gerste und Gelatine (als Sülze oder als Basis für die Suppe: Früher hat man Knochen ausgekocht, um den Knorpel daraus zu lösen. Dieser gelöste Knorpel ist die Gelatine. Gelatine gibt es auch fertig im Bioladen). Man kann auch Knorpel von Tieren einnehmen, insbesondere von solchen, die in ihren Knochen fast nur Knorpel bilden mit nur sehr geringer Calciumablagerung. Sie haben eine außerordentlich starke Knorpelbildungskraft. Das sind die sogenannten „Knorpelfische“. Ein großer Repräsentant dieser Familie ist der Haifisch. Man kann also als Prophylaxe Haifischknorpel-Kapseln nehmen, z.B. von Allcura, einmal täglich eine Kapsel. Ist die Osteoporose bereits ausgebrochen, sind also schon Beschwerden da, sollte man zweimal täglich eine Kapsel einnehmen. In diesem Fall sind zusätzlich Injektionen von potenziertem Knorpel der Bandscheibe (Disci) notwendig. Das ist Disci comp.cum Argento (Wala), das man zweimal wöchentlich als Injektion unter die Haut in die Nähe der schmerzhaften Stelle spritzt. Wenn die Packung leer ist, nimmt man Disci comp. cum Stanno. Nach dieser Packung nimmt man wieder cum Argento, danach wieder cum Stanno usw. Dies muss ein bis zwei Jahre durchgeführt werden, zusammen mit den Haifischknorpelkapseln.
Hilft Vitamin D wirklich bei allen anderen Beschwerden?
Wie ist es mit der Müdigkeit, mit den immer wieder auftretenden Infekten, mit der Leistungsschwäche und deren Zusammenhang mit Vitamin D? Gibt es überhaupt einen solchen Zusammenhang? Könnten diese Beschwerden auch andere Ursachen haben als einen Vitamin-D-Mangel? Drei sehr naheliegende Gründe könnte es geben für diese heute epidemisch auftretenden Beschwerden: Das sind Schlafmangel, Bewegungsmangel und ein Mangel an Nahrungsmitteln, die wirklich Leben enthalten (siehe Otto Wolff, Was essen wir eigentlich?).[vii] Auch die tägliche stundenlange Benutzung von elektronischen Medien muss hier erwähnt werden.
Leider ist es typisch für den Menschen, lieber ein paar Tabletten einzunehmen als festgefahrene, lieb gewordene schlechte Gewohnheiten zu verändern.
Die Behandlung von Schäden durch Vitamin D
Es ist einfacher, einem weichen, unreifen Zustand zur Reifung und Verhärtung zu verhelfen als einem verfrühten Verhärtungs- und Alterungsprozess rückgängig zu machen. Trotzdem ist seit eh und je bekannt, dass Silicium auch eine antagonistische Wirkung zum Calcium hat. Daher kommt der bezeichnende Name eines alten Medikaments, „Sklerosol“, das aus reinem Siliciumdioxid bestand. Man nutzte Siliciumdioxid früher gegen jede Form von Sklerose. Sikapur® ist ein heutiges Präparat. Es enthält Siliciumdioxid in kolloidaler Form, d.h. fein verteilt in Wasser, das dadurch vom Organismus leicht aufzunehmen ist. Erwachsene nehmen einen Esslöffel morgens nüchtern mindestens ein Jahr lang und danach als Kur zweimal jährlich drei Monate. Auch Kinder, die Vitamin D längere Zeit bekommen haben, können damit behandelt werden. Wenn sie unter fünf Jahre alt sind, ist ein Teelöffel statt eines Esslöffels ausreichend. Kinder werden nur sechs Monate damit behandelt.
Eine globale Verhärtungstendenz?
Es gibt ganze Länder, wie die USA und Kanada, in denen seit den 1950er Jahren der Milch per Gesetz Vitamin D zugesetzt werden muss (400-900 I.E. pro Liter). Diese Tendenz fängt an, sich über die ganze Welt auszubreiten, z.B. auch schon in manchen Ländern in Südamerika. Was bedeutet das nun für ein ganzes Volk? Dass der Mensch gezwungen wird, dieses Hormon mit der Milch aufzunehmen, hat sehr wohl nachvollziehbare Folgen. Um zur Linden zu zitieren: die Schrumpfung der Bewusstseins-Weite und die Hemmung der geistigen Beweglichkeit der Menschen.
Rudolf Steiner berichtete schon 1919 über dieses moderne menschliche Phänomen. Damals war zwar Vitamin D noch nicht einmal bekannt. Trotzdem hatte die Verhärtungstendenz der Menschen bereits angefangen. Rudolf Steiner beschrieb, wie diese Verhärtungstendenz aussieht, in einem Brief über seine Erlebnisse nach einem öffentlichen Vortrag über das dringendste Problem unserer Zeit und seine Lösung, über neue Wege im großen sozialen Miteinander: „Dabei dieser Mangel an „Verständnisfähigkeit“ bei den Leuten. Wichtiges, was ich will, hören sie einfach nicht. Es ist, als ob sie nur fähig wären, Dinge zu verstehen, an die sie bis zur Satzgestaltung seit 30 Jahren gewöhnt sind. Verhärtete Gehirne, gelähmter Ätherleib, leerer Astralleib, völlig dumpfes Ich. Das ist die Signatur der Menschen der Gegenwart.“[viii]
Der Unfähigkeit, unsichtbare Zwischentöne zu begreifen, d.h. geistige Gedanken, dieser schon damals bestehenden Tendenz wird jetzt durch Vitamin D ein deutlicher Vorschub geleistet.
Die hier vorgebrachten Gedanken mögen als ein Weckruf dienen.
Dr.med. Daphné von Boch
Zur Autorin
Daphné von Boch ist in Canada geboren und lebt seit vielen Jahren in Basel. Sie hat fünfzehn Jahre als anthroposophische Ärztin und Psychologin in zwei anthroposophischen Rehabilitationskliniken für Allgemeinmedizin und Psychosomatik gearbeitet, die letzten drei Jahre als leitende Ärztin. Seit 2017 arbeitet sie in einer eigenen Privatpraxis in Deutschland. Seit vielen Jahren bildet sie Ärzte in Anthroposophischer Medizin im Osten und in Fern-Ost aus und gibt die Bücher von Otto Wolff neu heraus.
[i] Walter Hartenbach, Die Cholesterin-Lüge. Das Märchen vom „bösen“ Cholesterin. Herbig 2012.
[ii] Paolo Colombani, Fette Irrtümer. Ernährungsmythen entlarvt. Orell Füssli, Zürich 2010.
[iii] Prof. A. Beuren, im ärztlichen Kongress vom 6.-8.Mai 1966 in Bremen. Zitiert durch Wilhelm zur Linden, Erfahrungsheilkunde, Band XVI, Heft 2, 1967.
[iv] zur Linden, ebd.
[v] ebd.
[vi] Vgl. Florian Horn, Biochemie des Menschen, Thieme, Stuttgart/New York 2012, S. 393.
[vii] Otto Wolff, Was essen wir eigentlich? Freies Geistesleben, Stuttgart 1996. Überarbeitete Neuausgabe ebd., 2012.
[viii] Thomas Meyer (HG), Helmuth von Moltke. Band 2, Perseus-Verlag Basel 2007, S. 240.